Wer sich in Salzburg einsam fühlt, muss nicht einsam bleiben. Das zu wissen, kann für Betroffene und ihre Angehörigen sehr hilfreich sein. Für Menschen, die sich mehr soziale Kontakte wünschen bietet das Diakoniewerk Salzburg einen Besuchsdienst für Senior*innen an. Als spezieller Service kann auch bei der Handhabung von Smartphone oder Computer unterstützt werden.
Erich Holfeld, der ehemalige Chefredakteur des Radiosenders Antenne Salzburg hat für uns den Besuch einer jungen Studentin bei einer älteren Dame miterlebt und mit beiden gesprochen. Es ist ein warmer, sommerlich-bewölkter Nachmittag, an dem Edeltraud Klinggraber (86) mit Emilie Ardisson (21) rund um dem Weiher bei der NaWi-Uni in der Hellbrunner Straße spazieren. Wenn man sie so im Gespräch vertieft erlebt, merkt man den beiden Frauen den Altersunterschied von mehr als sechs Jahrzehnten gar nicht an. Sie erwecken eher den Anschein von zwei vertrauten Freundinnen, die bereits so manche Höhen und Tiefen gemeinsam erlebt und gemeistert haben.
Holfeld: Frau Klinggraber, meine erste Frage ist, woher kommen Sie?
Klinggraber: Ich bin in Oberschlesien geboren, das heute in Polen liegt. Mit acht Jahren sind wir vertrieben worden. Meine Mutter hat die zwei kleineren Geschwister in den Kinderwagen gepackt und uns zwei Älteren daran angebunden, damit wir nicht weglaufen würden. So sind wir zu Fuß geflüchtet. Zunächst in die frühere DDR und sind schließlich in der Bundesrepublik gelandet.
Holfeld: Welchen Beruf haben Sie denn erlernt?
Klinggraber: Ich wurde Kindergärtnerin, habe aber nach Gründung einer eigenen Familie und nachdem unsere zwei Töchter groß geworden waren, etwas ganz anderes gemacht – ich habe in der Meinungsforschung gearbeitet. Beim Statistischen Zentralamt und in kommerziellen Instituten.
Holfeld: Und woher kommen Sie Frau Ardisson?
Ardisson: Ich komme aus Berlin und studiere hier Soziologie, mein Vater ist Informatiker, arbeitet jetzt aber als Manager, meine Mutter ist Grundschullehrerin in Berlin, was hierzulande dem Beruf Volksschullehrerin entspricht.
Holfeld: Zurück zu Ihnen, Frau Klinggraber, wie sind sie dann aus Deutschland nach Österreich gekommen?
Klinggraber: Ich war auf Urlaub hier und habe einen netten Mann, einen Wiener kennengelernt und war innerhalb von acht Wochen verheiratet 🙂 Ich habe ihn genau eine Woche gekannt, als er mir einen Heiratsantrag gemacht hat und ich darf sagen, unsere Ehe war sehr gut.
Frau Klinggraber erzählt, dass ihr Mann leider relativ früh verstorben ist und sie selbst mit fortschreitendem Alter doch größere gesundheitliche Probleme bekommen hat. Trotzdem wirkt sie in unserem Gespräch hellwach und interessiert. Die Krankheiten hätten aber vor allem ihre sozialen Kontakte eingeschränkt, deshalb sei sie sehr froh, dass es diesen Besuchsdienst gibt.
Holfeld: Wie sind denn auf den Besuchsdienst gekommen?
Klinggraber: Die Diakonie hat bei uns im Haus eine Umfrage gemacht, was wir gerne hätten oder bräuchten und uns informiert, was sie anbieten. Auf diese Weise bin ich auch zu meinem Pflegegeld gekommen. Aber bei dieser Gelegenheit habe ich auch gesagt, dass ich gerne wenigstens einmal in der Woche jemanden hätte, mit dem ich mich unterhalten kann. Und so habe ich Emilie kennen und schätzen gelernt. Wobei ich aber nicht den Eindruck erwecken will, dass ich ganz allein lebe. Meine Salzburger Tochter kümmert sich wirklich rührend um mich. Aber sie und ich brauchen eben auch einmal eine kleine Auszeit. Meine andere Tochter lebt in Wien.
Holfeld: Frau Ardisson, nachdem Sie als Studentin aus Berlin hier in Salzburg gelandet sind, was haben Sie da in Ihrer Freizeit gemacht?
Ardisson: Zuerst einmal habe ich diese wunderbare Gegend genossen, bin viel auf Mönchsberg und Kapuzinerberg hinaufmarschiert und natürlich mit Studienkolleginnen und Kollegen unterwegs gewesen. Bald wollte ich die Stadt auf eine neue Art kennenlernen und deshalb gehe ich jeden Freitag mit Hunden Gassi. Zudem habe ich manchmal im Internet recherchiert und bin so auf das Freiwilligenzentrum gekommen. Seither besuche ich Frau Klinggraber einmal in der Woche.
Holfeld: Da drängt sich die Frage auf, wie empfinden Sie die Besuche von Emilie, was schätzen Sie an ihr?
Klinggraber: Erstens schätze ich sehr, dass sich eine so junge Frau, immerhin erst 21, für einen solchen freiwilligen Besuchsdienst zur Verfügung stellt. Zweitens mag ich sehr an ihr, dass sie zuverlässig und fröhlich ist, man kann sich mit ihr über alles unterhalten, obwohl sie so jung ist. Sie ist geduldig und hört mir zu – auch wenn ich ihr zwei Mal das Gleiche erzähle (schmunzelt dabei), sie akzeptiert mich so wie ich bin. Wir gehen auch spazieren und reden dabei über Gott und die Welt.
Holfeld: Jetzt möchte ich natürlich auch von der „Gegenseite“ wissen, welche Erwartungen hatten denn Sie, bevor Sie Frau Klinggraber getroffen haben, es war ja Ihr erster Besuchsdienst?
Ardisson: Da meine Großeltern in Frankreich leben, kann ich sie leider nur sehr selten sehen. Allerdings fiel mir bei einem Nebenjob in einem Berliner Impfzentrum auf, wie viel Spaß mir die Arbeit mit betagten Personen macht. Durch die positiven Erfahrungen verlor ich auch meine Hemmschwelle, Kontakt mit älteren Menschen aufzunehmen. Dazu kam, dass ich in Salzburg anfangs oft allein war und deshalb habe auch ich mich sehr auf den Kontakt mit Frau Klinggraber gefreut.
Holfeld: Frau Klinggraber, könnte man sagen, dass sich ihr Leben durch die Besuche von Emilie irgendwie zum Positiven verändert hat?
Klinggraber: Ja, unbedingt, es gibt nun etwas, auf das ich mich jede Woche freue. Wir vereinbaren den Termin, der für uns beide passt, wir haben da keine starre Regelung. Und natürlich freue ich mich sehr, dass ich mit einem jungen Menschen zusammen sein kann. Ich kenne inzwischen aus ihren Erzählungen ein bisschen ihre Familie und ihre Freundinnen.
Holfeld: Was hat sich in Ihrem Leben verändert, seit Sie Frau Klinggraber einmal in der Woche besuchen?
Ardisson: Mein Horizont hat sich eindeutig erweitert, Frau Klinggraber kann aus ihrem langen und reichen Leben so viel Interessantes erzählen. Dinge, Themen, die ich mit meinen Freundinnen und Freunden nie diskutieren könnte, weil uns allen ganz einfach die notwendigen Erfahrungen fehlen. Es ist für mich auch wichtig, dass manche Erlebnisse von Menschen, die so viel erlebt haben und durchmachen mussten wie Frau Klinggraber, an nächste Generationen weitergegeben werden. Auch dass sie mir das anvertraut, finde ich sehr schön. Inzwischen würde ich auch ohne die Institution Besuchsdienst zu Frau Klinggraber kommen.
Holfeld: Einen schöneren Abschlusssatz könnte es nicht geben! Meine Damen, ich danke für das Gespräch.
Wer nun Lust zur Nachahmung bekommen hat, meldet sich bitte beim Besuchsdienst vom Diakoniewerk:
Kontakt:
Mag. Gabriele Huber
Bereichsleitung Freiwilligenarbeit
0664/ 82 73 381
freiwilligenarbeit.sbg@diakoniewerk.at
Fotonachweise: Josef Blaschko